2. Die Kernelemente der vorgeschlagenen Änderungen
2.1. Anreizsystem für die betroffenen Personen
Sozialhilfe soll nur erhalten, wer keine andere Wahl hat. Sie muss also einen rein subsidiären Charakter haben. Das Hauptziel der Sozialhilfebehörden muss darin bestehen, die betroffenen Personen, wenn immer möglich in die Erwerbsarbeit zurückbringen. Dabei können finanzielle Anreize hilfreich sein. Die neue Regelung sieht vor, dass eine betroffene Person, die zurück in den Erwerbsprozess findet und sich damit von der Sozialhilfe lösen kann, die erhaltenen Sozialhilfeleistungen nicht mit ihrem Erwerbseinkommen zurückbezahlen muss. Aus Fairness müsste eigentlich jede Person, die von der Allgemeinheit in der Not unterstützt wurde, ihre Schulden der Allgemeinheit zurückzahlen.
Falls die neue Regelung aber dazu führt, dass die Anzahl Sozialhilfebezüger reduziert und damit die finanzielle Last, welche die Allgemeinheit durch die Sozialhilfe trifft, reduziert werden kann, so kann die FDP dieser zustimmen. Richtig ist aber auch, dass diese neue Regelung nicht auch auf Fälle ausgedehnt wird, in denen ein Sozialhilfebezüger ein grösseres Vermögen erhält. In einem solchem Fall ist es selbstverständlich, dass diese Person bezogene Sozialhilfe an den Staat zurückzahlt.
2.2. Neues Fallführungssystem (NFFS)
Das neue Fallführungssystem (NFFS) soll die Zusammenarbeit von Sozialdiensten, der KESB sowie den Leistungserbringen im Bereich der Arbeitsintegration vereinfachen und sie bei den administrativen Aufgaben entlasten. Das NFFS wird unabhängig von der SHG-Totalrevision eingeführt werden. Die SHG-Totalrevision schafft aber die Grundlagen für einen geregelten Betrieb und die Weiterentwicklung des NFFS, die Nutzung elektronischer Schnittstellen und eine verbesserte Datenlage im Sozialhilfebereich zum Zweck der Steuerung und der Aufsicht.
Die FDP verbindet diese Neuerungen mit der Erwartung, dass das Sozialwesen künftig effizienter und kostengünstiger geführt werden kann.
2.3. Verbesserte Aufsicht
Die Aufsicht wird künftig zwischen Sozialbehörde und GSI aufgeteilt. Der Kanton erhält neue Kontroll- und Aufsichtsaufgaben in der Sozialhilfe. Die kantonale Fachstelle Sozialrevisorat (FASR) unterstützt die Sozialbehörden bei der Erfüllung der Aufsicht und überprüft die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben der Sozialhilfe. Damit einher geht eine gewisse Einschränkung der Gemeindeautonomie im Bereich der Sozialhilfe, z.B. im Bereich der Organisation der Sozialdienste oder in der Verpflichtung einer jährlichen Berichterstattung an den Kanton, was vom Kanton bewusst gewollt ist, bei den Gemeinden und ihren Interessenvertretern aber auf Kritik stösst. Der Kanton übernimmt neue Aufgaben, für die entsprechende Stellen aufgebaut, resp. von den Gemeinden an den Kanton verschoben und letztlich auch bezahlt werden müssen.
Die FDP hat grundsätzliche Vorbehalte gegenüber Massnahmen, die zur Einschränkung der Gemeindeautonomie führen. Diese Massnahmen müssen sich deshalb dadurch rechtfertigen, dass der Vollzug der Sozialhilfegesetzgebung vereinheitlicht wird, die Qualität der Dienstleistungen erhöht wird und Kosten eingespart werden können. Diesfalls überwiegen die Vorteile unsere staatspolitischen Vorbehalte.
2.4. Selbstbehaltsmodell – Anreize für Gemeinden
Der Regierungsrat setzt damit den Auftrag des Grossen Rates um, auf Gemeindeebene ein finanzielles Anreizsystem im System des Lastenausgleichs Sozialhilfe einzuführen. Die Finanzierung der Lasten aus der Sozialhilfe Kanton – Gemeinden von je 50% bleibt unverändert. Die Gemeinden sollen nun aber einen finanziellen Anreiz erhalten, wenn sie bei der beruflichen Integration von Sozialhilfeempfängern erfolgreich sind. Das Selbstbehaltsmodell sieht vor, dass den Gemeinden für ihre Sozialkosten ein Selbstbehalt auferlegt wird. Dieser Selbstbehalt fliesst an die Gemeinden entsprechend ihrem Leistungsausweis zurück. Massgeblich soll dabei der Soziallastenindex sein. Liegen besondere Umstände vor, wie z.B. die Zusammensetzung der Bevölkerung, wird den betreffenden Gemeinden ein Ausgleich gutgeschrieben (Härtefallgutschrift).
Die FDP begrüsst die Einführung dieses neuen Anreizsystems für Gemeinden.
3. Das regierungsrätliche Vorgehen kritisch hinterfragt
Die FDP beurteilt kritisch, wie der Regierungsrat diese Reform angegangen ist. Das Gesetz wurde ohne den üblichen Miteinbezug der Stakeholder (BKSE, VBG etc.) in den Prozess erarbeitet. Damit wurden offenkundig Unmut und Unverständnis insbesondere bei den Gemeinden und den betroffenen Verbänden ausgelöst. Die FDP bedauert dies, weil sie es als eine der grossen Stärken unseres politischen Systems erachtet, dass alle massgeblichen Interessengruppen frühzeitig in wichtige politische Geschäfte miteinbezogen werden und partizipieren können. Die FDP hat deshalb Bedenken, dass der vorliegende Gesetzesentwurf von den Stakeholdern mitgetragen wird, obwohl er inhaltlich wichtige Neuerungen vorsieht.
Die FDP empfiehlt deshalb, die betroffenen Interessengruppen nachträglich miteinzubeziehen, damit auch sie die Revision mittragen können.
4. Fazit und Empfehlung
Die Gesetzesvorlage setzt die vom Grossen Rat beschlossenen Revisionsvorhaben (z.B. Wirtschaftliche Hilfe: Sprachkenntnisse und unrechtmässig bezogene Sozialhilfe, Aufsicht, Neues Fallführungssystem, Selbstbehaltsmodell) um, und schafft eine konsistente und lesbare Rechtsgrundlage. Sie schafft Anreize für Sozialhilfebeziehende und Gemeinden, vereinfacht die Administration und stärkt die Aufsicht, ohne die Leistungen der Sozialhilfe zu verändern.
Die FDP unterstützt das Vorhaben inhaltlich, empfiehlt aber dem Regierungsrat, die «Stakeholder», insbesondere die Gemeinden und deren Vertretungen, aktiv in den Gesetzgebungsprozess miteinzubeziehen.